Sunday 13 May 2012

BANKENKRISE





VON NEW YORK BIS NACH SPANIEN: DIE BANKENKRISE IST ZURÜCK

Michael Brückner
Ein neuer unglaublicher Skandal an der Wall Street und das Desaster im spanischen Finanzsektor machen deutlich: Auch die Bankenkrise ist längst nicht ausgestanden. Mit Verstaatlichungen und eilends angekündigten Reformen will die Regierung in Madrid  gegensteuern. Doch um das spanische Bankensystem aus der Krise zu führen, sind nach Expertenschätzungen mindestens 140 Milliarden Euro notwendig.

Während die Medien ausführlich darüber berichten, wie es den Griechen doch noch gelingen könnte, eine Regierung zu bilden, die eine Politik gegen die Mehrheit des Volkes durchdrücken könnte, ist die Bankenkrise mit Vehemenz auf die globale Bühne der Finanztragödien zurückgekehrt. In den USA verzockte JP Morgan mit riskanten Börsenwetten mindestens zwei Milliarden US-Dollar. Beobachter vor Ort halten dies für die Spitze des Eisbergs. In den nächsten Tagen könnten weitere Hiobsbotschaften aus US-Banken die Märkte erschüttern.

In Spanien musste die Regierung in einer Nacht- und Nebelaktion mit der Bankia das viertgrößte Geldinstitut des Landes verstaatlichen, um in letzter Minute einen Banken-Run zu verhindern. Und der scheidende Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann regte vor wenigen Tagen einen Rettungsfonds für das gesamte europäische Bankensystem an. Solche Forderungen lassen erahnen, wie ernst die Situation in der europäischen Finanzbranche wirklich ist.

Besonders dramatisch stellt sich die Situation vieler spanischer Banken und Sparkassen dar. Zwar erklärte Regierungschef Mariano Rajoy vollmundig, mit der jüngsten Bankenreform bekomme man die Krise in den Griff. Unabhängige Experten jedoch reagieren mit großer Skepsis und unterstellen dem spanischen Ministerpräsidenten schlicht Zweckoptimismus. »Die (spanischen) Banken sind wohl kaum in der Lage, im Privatsektor Geld zu bekommen. Also bleibt als letzte Rettung der Staat. Und das bedeutet: der Steuerzahler. Die Frage ist dann, ob der spanische (Steuerzahler) oder alle in der Euro-Zone«, sagte dieser Tage Jörn Spillmann, Leiter Volkswirtschaft international bei der Zürcher Kantonalbank.

Wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, kann die Frage des Ökonomen leicht beantworten: Es werden am Ende die europäischen und vor allem die deutschen Steuerzahler sein, die in die Bresche springen müssen. Denn hinter den Kulissen bereiten die so genannten Euro-Retter bereits das nächste krumme Ding vor. Bald soll es möglich sein, nicht nur ganze Staaten, sondern zum Beispiel auch die Banken eines Landes unter den europäischen Rettungsschirm zu stellen. Eine solche Lösung ist anscheinend für Spanien geplant. Rechtlich erscheint das zwar problematisch, aber irgendwie werden es die Euro- und Bankenretter wohl wieder hinbiegen.

DIE SPANISCHE BANKENKRISE IST JEDENFALLS WESENTLICH DRAMATISCHER ALS NOCH VOR WENIGEN MONATEN ANGENOMMEN

Der Ruf nach einer unabhängigen Prüfung der Kreditinstitute des iberischen Landes wird immer lauter. Tatsache ist: Alle Rettungsaktionen der vergangenen Monate verpufften weitgehend wirkungslos. Seit 2009 mussten nicht weniger als acht Banken und Sparkassen vom Staat gerettet werden. Über den Bankenrettungsfonds FROB flossen in den vergangenen Monaten über 16 Milliarden Euro in den maroden Finanzsektor. Die Geldinstitute mussten derweil bereits faule Kredite in Höhe von rund 54 Milliarden Euro abschreiben. Sowohl die sozialistische als auch die jetzt amtierende konservative Regierung verabschiedeten drei Bankenreformen. Keine brachte den erhofften Durchbruch. Es gibt wenig Grund, anzunehmen, dass die jetzt verkündete Bankenreform wirklich erfolgreicher sein könnte.

Aktuellen Schätzungen zufolge braucht der spanische Bankensektor mindestens 140 Milliarden Euro, um wieder auf die Beine zu kommen. Das tief in der Rezession steckende Land kann dies allein nicht schaffen. Ein Fall für den Euro-Rettungsschirm.

 REKORDARBEITSLOSENQUOTE VON MINDESTENS 25 PROZENT (BEI JUGENDLICHEN SOGAR 50 PROZENT)

Ähnlich wie in den USA stürzte eine platzende Immobilienblase die spanischen Banken in eine tiefe Krise. Während aber viele US-Institute ihre notleidenden Kredite in abenteuerliche ABS-Konstruktionen verpackten und diese »Pakete« an Investoren verkauften, behielten die meisten spanischen Banken ihre faulen Kredite in den Büchern, weil sie auf allmählich wieder steigende Immobilienpreise setzten. Doch angesichts einer Rekordarbeitslosenquote von mindestens 25 Prozent (bei Jugendlichen sogar 50 Prozent)  ging diese Rechnung nicht auf. Im Gegenteil: Derzeit stehen fast eine Million Wohnungen leer und sind allenfalls zu »Schnäppchenpreisen« zu verkaufen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit können immer mehr spanische Bankkunden ihre Immobilien- und Konsumentenkredite nicht mehr bedienen. Ökonom Spillmann befürchtet daher, dass die Summe der faulen Kredite steigen und sich der Kapitalbedarf der Banken weiter erhöhen wird.

Es kommt hinzu, dass gerade die Sparkassen untereinander in einem ruinösen Wettbewerb stehen. Seit der Deregulierung der Branche gilt für die spanischen Sparkassen (cajas de ahorros) kein Regionalprinzip mehr. Alle drehten landesweit am großen Rad des anscheinend nicht enden wollenden Baubooms. Heute sind die Kassen leer und die Küsten zubetoniert.

Die jetzt verstaatlichte Bankia, in deren Büchern faule Kredite von über 30 Milliarden Euro schlummern sollen, war erst Ende 2010 aus einer Fusion von sieben cajas hervorgegangen. Einmal mehr flüchteten die Verantwortlichen unter dem Druck der damals sozialistischen Regierung in die Größe. Dadurch entstand ein neuer »Too-big-to-fail«-Kandidat, also eine Großbank, die nicht pleitegehen darf, weil die Folgen desaströs wären. Tatsächlich hält Bankia über zehn Prozent aller Einlagen des spanischen Bankensystems. Nach der Zwangsfusion von sieben cajas zur Bankia wurde die neue Großbank im Sommer vergangenen Jahres an die Börse gebracht. Den Anlegern wurde ein aussichtsreiches Investment versprochen. Die Realität sieht anders aus: Die Aktien der Bank verloren in nicht einmal einem Jahr mehr als 40 Prozent ihres ursprünglichen Werts.

DASS DIE DREI GRÖßTEN SPANISCHEN BANKEN SANTANDER, BBVA UND BANCO POPULAR ESPAÑOL BESSER DASTEHEN, HAT EINEN EINFACHEN GRUND: DIESE INSTITUTE SIND INTERNATIONAL AUFGESTELLT UND VERDIENEN VOR ALLEM IN SÜDAMERIKA RECHT GUT.

Derweil ist unklar, ob es ausreichen wird, nur den spanischen Bankensektor unter den Rettungsschirm zu stellen. Investmentlegende Nouriel Roubini geht davon aus, dass Spanien bis Ende des Jahres seinen Zugang zum Markt verlieren wird. Dann dürfte der nächste Bailout fällig werden.



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