VON NEW YORK BIS NACH SPANIEN: DIE BANKENKRISE IST
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Michael
Brückner
Ein
neuer unglaublicher Skandal an der Wall Street und das Desaster im spanischen
Finanzsektor machen deutlich: Auch die Bankenkrise ist längst nicht
ausgestanden. Mit Verstaatlichungen und eilends angekündigten Reformen will die
Regierung in Madrid gegensteuern. Doch um das spanische Bankensystem aus
der Krise zu führen, sind nach Expertenschätzungen mindestens 140 Milliarden
Euro notwendig.
Während die Medien
ausführlich darüber berichten, wie es den Griechen doch noch gelingen könnte,
eine Regierung zu bilden, die eine Politik gegen die Mehrheit des Volkes
durchdrücken könnte, ist die Bankenkrise mit Vehemenz auf die globale Bühne der
Finanztragödien zurückgekehrt. In den USA verzockte JP Morgan mit
riskanten Börsenwetten mindestens zwei Milliarden US-Dollar. Beobachter vor Ort
halten dies für die Spitze des Eisbergs. In den nächsten Tagen könnten weitere
Hiobsbotschaften aus US-Banken die Märkte erschüttern.
In Spanien musste die
Regierung in einer Nacht- und Nebelaktion mit der Bankia das viertgrößte
Geldinstitut des Landes verstaatlichen, um in letzter Minute einen Banken-Run
zu verhindern. Und der scheidende Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann
regte vor wenigen Tagen einen Rettungsfonds für das gesamte europäische
Bankensystem an. Solche Forderungen lassen erahnen, wie ernst die Situation in
der europäischen Finanzbranche wirklich ist.
Besonders dramatisch
stellt sich die Situation vieler spanischer Banken und Sparkassen dar. Zwar
erklärte Regierungschef Mariano Rajoy vollmundig, mit der jüngsten Bankenreform
bekomme man die Krise in den Griff. Unabhängige Experten jedoch reagieren mit
großer Skepsis und unterstellen dem spanischen Ministerpräsidenten schlicht Zweckoptimismus.
»Die (spanischen) Banken sind wohl kaum in der Lage, im Privatsektor Geld zu
bekommen. Also bleibt als letzte Rettung der Staat. Und das bedeutet: der
Steuerzahler. Die Frage ist dann, ob der spanische (Steuerzahler) oder alle in
der Euro-Zone«, sagte dieser Tage Jörn Spillmann, Leiter
Volkswirtschaft international bei der Zürcher Kantonalbank.
Wer die Nachrichten
aufmerksam verfolgt, kann die Frage des Ökonomen leicht beantworten: Es werden
am Ende die europäischen und vor allem die deutschen Steuerzahler sein, die in
die Bresche springen müssen. Denn hinter den Kulissen bereiten die so genannten
Euro-Retter bereits das nächste krumme Ding vor. Bald soll es möglich sein,
nicht nur ganze Staaten, sondern zum Beispiel auch die Banken eines Landes
unter den europäischen Rettungsschirm zu stellen. Eine solche Lösung ist
anscheinend für Spanien geplant. Rechtlich erscheint das zwar problematisch,
aber irgendwie werden es die Euro- und Bankenretter wohl wieder hinbiegen.
DIE SPANISCHE BANKENKRISE IST JEDENFALLS
WESENTLICH DRAMATISCHER ALS NOCH VOR WENIGEN MONATEN ANGENOMMEN.
Der Ruf nach einer
unabhängigen Prüfung der Kreditinstitute des iberischen Landes wird immer
lauter. Tatsache ist: Alle Rettungsaktionen der vergangenen Monate verpufften
weitgehend wirkungslos. Seit 2009 mussten nicht weniger als acht Banken und
Sparkassen vom Staat gerettet werden. Über den Bankenrettungsfonds FROB
flossen in den vergangenen Monaten über 16 Milliarden Euro in den maroden
Finanzsektor. Die Geldinstitute mussten derweil bereits faule Kredite in Höhe
von rund 54 Milliarden Euro abschreiben. Sowohl die sozialistische als auch die
jetzt amtierende konservative Regierung verabschiedeten drei Bankenreformen.
Keine brachte den erhofften Durchbruch. Es gibt wenig Grund, anzunehmen, dass
die jetzt verkündete Bankenreform wirklich erfolgreicher sein könnte.
Aktuellen Schätzungen
zufolge braucht der spanische Bankensektor mindestens 140 Milliarden Euro, um
wieder auf die Beine zu kommen. Das tief in der Rezession steckende Land kann
dies allein nicht schaffen. Ein Fall für den Euro-Rettungsschirm.
REKORDARBEITSLOSENQUOTE VON
MINDESTENS 25 PROZENT (BEI JUGENDLICHEN SOGAR 50 PROZENT)
Ähnlich wie in den USA
stürzte eine platzende Immobilienblase die spanischen Banken in eine tiefe
Krise. Während aber viele US-Institute ihre notleidenden Kredite in abenteuerliche
ABS-Konstruktionen verpackten und diese »Pakete« an Investoren verkauften,
behielten die meisten spanischen Banken ihre faulen Kredite in den Büchern,
weil sie auf allmählich wieder steigende Immobilienpreise setzten. Doch
angesichts einer Rekordarbeitslosenquote von mindestens 25 Prozent (bei
Jugendlichen sogar 50 Prozent) ging diese Rechnung nicht auf. Im
Gegenteil: Derzeit stehen fast eine Million Wohnungen leer und sind allenfalls
zu »Schnäppchenpreisen« zu verkaufen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit
können immer mehr spanische Bankkunden ihre Immobilien- und Konsumentenkredite
nicht mehr bedienen. Ökonom Spillmann befürchtet daher, dass die Summe der
faulen Kredite steigen und sich der Kapitalbedarf der Banken weiter erhöhen
wird.
Es kommt hinzu, dass
gerade die Sparkassen untereinander in einem ruinösen Wettbewerb stehen. Seit
der Deregulierung der Branche gilt für die spanischen Sparkassen (cajas de
ahorros) kein Regionalprinzip mehr. Alle drehten landesweit am großen Rad
des anscheinend nicht enden wollenden Baubooms. Heute sind die Kassen leer und
die Küsten zubetoniert.
Die jetzt
verstaatlichte Bankia, in deren Büchern faule Kredite von über 30
Milliarden Euro schlummern sollen, war erst Ende 2010 aus einer Fusion von
sieben cajas hervorgegangen. Einmal mehr flüchteten die Verantwortlichen
unter dem Druck der damals sozialistischen Regierung in die Größe. Dadurch
entstand ein neuer »Too-big-to-fail«-Kandidat, also eine Großbank, die nicht
pleitegehen darf, weil die Folgen desaströs wären. Tatsächlich hält Bankia
über zehn Prozent aller Einlagen des spanischen Bankensystems. Nach der
Zwangsfusion von sieben cajas zur Bankia wurde die neue Großbank
im Sommer vergangenen Jahres an die Börse gebracht. Den Anlegern wurde ein
aussichtsreiches Investment versprochen. Die Realität sieht anders aus: Die
Aktien der Bank verloren in nicht einmal einem Jahr mehr als 40 Prozent ihres
ursprünglichen Werts.
DASS DIE DREI GRÖßTEN SPANISCHEN BANKEN SANTANDER,
BBVA UND BANCO POPULAR ESPAÑOL BESSER DASTEHEN, HAT EINEN EINFACHEN
GRUND: DIESE INSTITUTE SIND INTERNATIONAL AUFGESTELLT UND VERDIENEN VOR ALLEM
IN SÜDAMERIKA RECHT GUT.
Derweil ist unklar, ob
es ausreichen wird, nur den spanischen Bankensektor unter den Rettungsschirm zu
stellen. Investmentlegende Nouriel Roubini geht davon aus, dass Spanien bis
Ende des Jahres seinen Zugang zum Markt verlieren wird. Dann dürfte der nächste Bailout fällig werden.
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