Zyperns Aphrodite Felsen
|
DAS PLATZEN ÖKONOMISCHER TRÄUME BIETET DIE CHANCE FÜR
AUßENPOLITISCHE LÖSUNGEN
Via DER STANDARD
Von Eric Frey
ZYPERN, das
am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernimmt, ist der größte Sündenfall in der
Geschichte der Union. Die Entscheidung von 2003, den Inselstaat ohne vorherige
Lösung des Nordzypern-Konflikts aufzunehmen, war eine mehrfache Torheit. Sie
trug einen ethnischen und geopolitischen Sprengsatz in die EU hinein,
vergiftete die Beziehungen zum so wichtigen Partnerstaat TÜRKEI und nahm den ZYPRIOTEN
außerdem jeden Anreiz, die für eine Wiedervereinigung notwendigen Kompromisse
einzugehen. Mit dem Beitritt in der Tasche stimmten sie dann 2004 tatsächlich
gegen den UN-Friedensplan.
Diese
Fehlentscheidung belastet EUROPA bis heute. Sicher ist ZYPERN nicht der einzige
Grund dafür, dass die Beitrittsverhandlungen mit der TÜRKEI nicht vom Fleck
kommen und auch sonst die Zusammenarbeit so wenig klappt. Aber es ist ein
ständiges Reizthema, das den Obstruktionskräften in der TÜRKEI in die Hände
spielt. Selbst in der Syrienkrise ist die EU behindert, weil Ankara wegen ZYPERN
in vielen Bereichen der Außenpolitik die Kooperation verweigert.
Nun erweist
sich das angeschlagene EUROLAND ZYPERN auch wirtschaftlich als Mühlstein. Das
selbsteingebrockte ZYPERN-Problem der EU und die Finanzprobleme der Region
haben dabei die gleichen Wurzeln - nämlich die einstige Illusion
wirtschaftlichen Erfolgs, der auf tönernen Füßen stand.
Der
EU-Beitritt ZYPERNS war die Folge eines Kraftakts GRIECHENLANDS, das mit einem
Veto gegen die gesamte Osterweiterung drohte, sollten die griechischen Brüder
auf der Insel nicht mit aufgenommen werden. Dies geschah auf dem Höhepunkt des
hellenischen Selbstbewusstseins, inmitten eines Wirtschaftsbooms, zwischen dem
Eurobeitritt und den Olympischen Spielen in Athen. Heute würden die GRIECHEN
mit einem solchen Machtspiel wohl scheitern - oder es erst gar nicht wagen.
Auch die ZYPRIOTEN
verharrten lange im Glauben, sie seien wirtschaftlich stark genug, um auf die
Wiedervereinigung verzichten zu können. Doch der ZYPERN-Boom beruhte ebenfalls
auf einer Blase, die nun geplatzt ist - und nicht nur wegen der vielen
griechischen Staatsanleihen in den Büchern zypriotischer Banken. In dieser
neuen Lage werden die ökonomischen Kosten der Teilung - Militärausgaben,
Schwächen in der Infrastruktur - umso schwerer wiegen. Vielleicht würden auch
die zypriotischen Wähler heute anders entscheiden als 2004.
Doch sie
werden nicht gefragt, ja es finden im ZYPERN-Konflikt nicht einmal
Verhandlungen statt. Das ist ein Versäumnis. Denn wenn die Euroschuldenkrise
auch etwas Gutes hat, dann das, dass das Platzen ökonomischer Träume den Weg
für politische Lösungen freimachen kann.
Allerdings
hat die TÜRKEI zuletzt genau jenes Selbstbewusstsein entwickelt, das GRIECHENLAND
und ZYPERN einst hatten. Das lässt Premier Tayyip Erdogan in Nordzypern Härte
zeigen. Aber auch die türkische Wirtschaft ist fragiler, als sie scheint - mit
wachsenden Schulden und einem horrenden Leistungsbilanzdefizit. Und Erdogans
außenpolitischer Ehrgeiz, gestärkt durch den Arabischen Frühling, stößt im
Nachbarland SYRIEN immer mehr an seine Grenzen.
Ernüchterung
ist ein besserer Boden für politischen Pragmatismus als Euphorie. Doch um diese
Chance zu nützen, braucht es in Brüssel - und auch in Washington - eine
Willens- und Führungsstärke, mit der gerade wegen der Eurokrise nicht zu
rechnen ist.
No comments:
Post a Comment