Saturday, 30 June 2012

ZYPRIOTISCHE ERNÜCHTERUNG



Zyperns Aphrodite Felsen

DAS PLATZEN ÖKONOMISCHER TRÄUME BIETET DIE CHANCE FÜR AUßENPOLITISCHE LÖSUNGEN

Via DER STANDARD
Von Eric Frey

ZYPERN, das am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernimmt, ist der größte Sündenfall in der Geschichte der Union. Die Entscheidung von 2003, den Inselstaat ohne vorherige Lösung des Nordzypern-Konflikts aufzunehmen, war eine mehrfache Torheit. Sie trug einen ethnischen und geopolitischen Sprengsatz in die EU hinein, vergiftete die Beziehungen zum so wichtigen Partnerstaat TÜRKEI und nahm den ZYPRIOTEN außerdem jeden Anreiz, die für eine Wiedervereinigung notwendigen Kompromisse einzugehen. Mit dem Beitritt in der Tasche stimmten sie dann 2004 tatsächlich gegen den UN-Friedensplan. 

Diese Fehlentscheidung belastet EUROPA bis heute. Sicher ist ZYPERN nicht der einzige Grund dafür, dass die Beitrittsverhandlungen mit der TÜRKEI nicht vom Fleck kommen und auch sonst die Zusammenarbeit so wenig klappt. Aber es ist ein ständiges Reizthema, das den Obstruktionskräften in der TÜRKEI in die Hände spielt. Selbst in der Syrienkrise ist die EU behindert, weil Ankara wegen ZYPERN in vielen Bereichen der Außenpolitik die Kooperation verweigert. 

Nun erweist sich das angeschlagene EUROLAND ZYPERN auch wirtschaftlich als Mühlstein. Das selbsteingebrockte ZYPERN-Problem der EU und die Finanzprobleme der Region haben dabei die gleichen Wurzeln - nämlich die einstige Illusion wirtschaftlichen Erfolgs, der auf tönernen Füßen stand.
Der EU-Beitritt ZYPERNS war die Folge eines Kraftakts GRIECHENLANDS, das mit einem Veto gegen die gesamte Osterweiterung drohte, sollten die griechischen Brüder auf der Insel nicht mit aufgenommen werden. Dies geschah auf dem Höhepunkt des hellenischen Selbstbewusstseins, inmitten eines Wirtschaftsbooms, zwischen dem Eurobeitritt und den Olympischen Spielen in Athen. Heute würden die GRIECHEN mit einem solchen Machtspiel wohl scheitern - oder es erst gar nicht wagen. 

Auch die ZYPRIOTEN verharrten lange im Glauben, sie seien wirtschaftlich stark genug, um auf die Wiedervereinigung verzichten zu können. Doch der ZYPERN-Boom beruhte ebenfalls auf einer Blase, die nun geplatzt ist - und nicht nur wegen der vielen griechischen Staatsanleihen in den Büchern zypriotischer Banken. In dieser neuen Lage werden die ökonomischen Kosten der Teilung - Militärausgaben, Schwächen in der Infrastruktur - umso schwerer wiegen. Vielleicht würden auch die zypriotischen Wähler heute anders entscheiden als 2004. 

Doch sie werden nicht gefragt, ja es finden im ZYPERN-Konflikt nicht einmal Verhandlungen statt. Das ist ein Versäumnis. Denn wenn die Euroschuldenkrise auch etwas Gutes hat, dann das, dass das Platzen ökonomischer Träume den Weg für politische Lösungen freimachen kann.
Allerdings hat die TÜRKEI zuletzt genau jenes Selbstbewusstsein entwickelt, das GRIECHENLAND und ZYPERN einst hatten. Das lässt Premier Tayyip Erdogan in Nordzypern Härte zeigen. Aber auch die türkische Wirtschaft ist fragiler, als sie scheint - mit wachsenden Schulden und einem horrenden Leistungsbilanzdefizit. Und Erdogans außenpolitischer Ehrgeiz, gestärkt durch den Arabischen Frühling, stößt im Nachbarland SYRIEN immer mehr an seine Grenzen. 

Ernüchterung ist ein besserer Boden für politischen Pragmatismus als Euphorie. Doch um diese Chance zu nützen, braucht es in Brüssel - und auch in Washington - eine Willens- und Führungsstärke, mit der gerade wegen der Eurokrise nicht zu rechnen ist. 

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