Tuesday 20 January 2015

JOURNALISMUS 2015:





DIE ARROGANZ DER ENTWERTETEN

Peter Harth Via Kopp online

Der Mainstream-Journalismus steht kurz vor dem Infarkt. Schuld sind Verschwörungstheoretiker und die PEGIDA – schreibt Medienwissenschaftler BERNHARD PÖRKSEN. Sein SPIEGEL-ESSAY »Der Hass der Bescheidwisser« ist Unsinn. Nicht die Kritiker demontieren den Journalismus. Das schafft er von ganz allein – durch Arroganz und Intransparenz.

Die Wahrheit kommt erst zum Schluss. Dort hat sie BERNHARD PÖRKSEN gut versteckt. Wollen Sie nur die Wahrheit? Lesen Sie seinen Essay (im Internet nur als Anreißer) nicht von Anfang an, sondern beginnen sie ab der letzten Leerzeile (im gedruckten Spiegel 2/2015 auf Seite 73). Dort steht, warum den Medienkritikern das Kritisieren so leicht fällt. Wobei PÖRKSEN lieber von »Verschwörungstheoretikern« spricht. Aber Bezeichnung hin oder her – nicht sie demontieren den Journalismus, das schafft der von ganz allein.

Der Journalismus leidet unter einer »selbstherrlich gelebten Arroganz«, gibt PÖRKSEN zu. Er schließt seine Leser und deren Realität aus (»Exklusion«). Er lebt unter einer Glaskuppel, die ihn weltfremd macht. Und er errichtet »Scheiterhaufen«. Scheiterhaufen? Nun, die brennen, wenn die Mainstream-Medien ein Opfer wie aktuell die PEGIDA-Bewegung gefunden haben.

Background Information:

GERMANY: LAME JOURNALISM, OR DELIBERATE DISINFORMATION ON SYRIA?

DER-SPIEGEL "Der-Hass-der-Bescheidwisser"

PEGIDA AUF DEM MEDIALEN »SCHEITERHAUFEN«

Warum? Weil die Demonstranten auf der Straße sagen, dass sie den Medien nichts mehr glauben. So etwas geht nicht, also werden sie verbal niedergemacht. Das hat bisher geklappt, weil Medien die exklusiven Meinungsmacher waren. Sie und nur sie. Und das war ein gutes Geschäft, weil die Politik wie auch die Wirtschaft die veröffentlichte Meinung braucht. Jedenfalls die in ihren Augen richtige. Dafür zahlen sie.
Nun ist das Internet aber selbst für die Bundeskanzlerin kein Neuland mehr. Also muss auch ein Medienwissenschaftler wie PÖRKSEN zugeben, dass da mittlerweile so etwas wie eine »Medienrevolution« im Gange ist. Die man nicht mehr »ignorieren« kann, weil die »Stimmung aus Verschwörungsgerede, Medienverdrossenheit und berechtigter Medienkritik« […] »längst zu massiv« ist. Das, Herr PÖRKSEN, ist eine gewaltige Untertreibung.

SO VIELE FEHLER WIE SEIT DEM ENDE DES KALTEN KRIEGES NICHT MEHR

Der Journalismus hat seine Macht verloren. Nicht nur, weil inzwischen jeder auch ohne die Medien Meinungen machen kann. Es ist jetzt fast zu leicht, die Fehler und Unwahrheiten der Journalisten aufzudecken. Und davon gibt es seit der UKRAINE-Krise so viele wie seit dem Ende des Kalten Krieges 1989 nicht mehr. Das ist eine Tatsache. Jeder Fehler kostet die Mainstream-Medien ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit.
Das ist keine Medienrevolution, es ist eine Erosion, ein Zerbröckeln. Mit den einfachsten Mitteln, ohne viel Aufwand. Die Fehler sind da, sie müssen nur offen gezeigt werden im Internet: Seien es Propaganda, verlorene Glaubwürdigkeit, Zensur, Manipulation, Arroganz, Unaufrichtigkeit.

DIE MACHT DES JOURNALISMUS ZERBRÖCKELT

Je mehr sich die Fehler häufen, desto drängender wird eine Frage: Warum sind es gerade jetzt so viele? Die Menschen werden misstrauisch und viele haben schon lange das Gefühl, dass die Medien nicht im Sinne ihres Publikums berichten; eher scheint die Berichterstattung interessengesteuert. Von wem oder für welche Sache und was war der Preis? Das ist aber nicht das Schockierende. Was die Menschen wie mit einem Vorschlaghammer trifft, ist das: »Die wollen mich manipulieren«


Vielleicht wird das Internet einmal dafür gefeiert, dass sich der Mensch damit aus seiner geistigen Bevormundung befreit hat. Es gibt aber ein ganz aktuelles Problem, zumindest aus Sicht der Medien, was auch PÖRKSEN zugibt. Er spricht vom »Kommunikationsinfarkt«, die unsere offene Gesellschaft insgesamt gefährden soll. Wenn den Medien keiner mehr glaubt, dann soll auch die Diskussionskultur sterben?

DIE ÖFFENTLICHKEIT KANN OHNE JOURNALISMUS. UMGEKEHRT IST DAS NICHT DER FALL.

Das ist einmal mehr Unsinn. Die Medien sind nicht länger notwendig für die öffentliche Diskussion in einer Gesellschaft. Es ist wahrscheinlicher, dass sie sie durch Manipulation beschädigen. Auch ohne SPIEGEL, ZEIT oder STERN gibt es eine Öffentlichkeit in DEUTSCHLAND, die über Werte, Konsens und Konflikte verhandelt. Der Mainstream-Journalismus kann aber nicht ohne Öffentlichkeit. Der Infarkt, mit dem PÖRKSEN Panik verbreitet, ist der Infarkt des Journalismus.
 Weil es noch nie so einfach war, Journalisten zu kontrollieren, müssten sie eigentlich so transparent wie noch nie werden. Alles andere beschädigt DEUTSCHLANDS Mainstream-Medien nur noch mehr. Das verträgt sich aber nicht mit der Realität des Medienbetriebs. Eine Branche, die sich sehr für andere interessiert, müsste selbst die Hosen runterlassen. Und was man dort sieht, ist sehr erklärungsbedürftig.

JOURNALISTEN SUCHEN DIE NÄHE ZUR POLITIK UND DIE POLITIK SUCHT DIE NÄHE ZUM JOURNALISMUS

Warum sitzen Politiker in den Aufsichtsräten der Fernsehsender? Weshalb bauen Journalisten Netzwerke mit Lobbyisten auf? Warum macht überhaupt nur ein ganz bestimmter Typ Journalist Karriere? Kaum eine andere Branche hat sich so gut abgeschottet. Wichtige Stellen werden nicht öffentlich ausgeschrieben, es wird aus dem immer gleichen Kreis der bekannten Gesichter rekrutiert.

Dieses inzestuöse System existiert deshalb, weil durch die Einflussnahme von außen in den Redaktionen ein ständiger Machtkampf tobt. Journalisten suchen die Nähe zur Politik und die Politik sucht die Nähe zum Journalismus. Deshalb ist die politische Gesinnung für Journalisten inoffiziell lebenswichtig. Nur mit der richtigen haben sie die nötigen Kontakte, um an die wirklich wichtigen Stellen zu kommen. Dazu nehmen Wirtschaft, Lobbyisten, ja sogar ganze Staaten Einfluss auf die Redaktionen. So können sie ihre Meinung geschickt platzieren. Außerdem: Ein ihnen genehmer Chefredakteur wird Journalisten fördern, die ähnlich denken.

INZEST, AUSBEUTUNG UND MORALISCHER BANKROTT

Am unteren Ende der journalistischen Karriereleiter stehen die »Freien«, eigentlich Unfreie. Sie sind da und gleichzeitig nicht da, ohne Anstellung, Kündigungsschutz und soziale Absicherung. Trotzdem schreiben Sie den Löwenanteil der journalistischen Beiträge für ein Hungergeld. Ständig haben sie Angst, müssen funktionieren. Wenn nicht, werden sie von einem Tag auf den anderen ausgetauscht.
Damit die Rendite stimmt, kämpfen alle Journalisten gegen den Zeit- und Leistungsdruck. Der Gewinn auf der einen Seite muss aber mit dem Verlust auf einer anderen Seite bezahlt werden. Die Leidtragenden sind die »Freien«, die alles machen, um bloß nicht aus dem journalistischen System zu fliegen. Allein die nackte Existenzangst macht diese Journalisten korrupt.
Sie können nicht vom Schreiben leben. Also schlagen sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, um überhaupt schreiben zu können. Wenn das nicht mehr geht, lassen sie sich von Lobbyisten, Parteien oder Unternehmen kaufen. Einmal bezahlt, versuchen diese Journalisten, ihre Auftraggeber wohlwollend in den Medien zu bringen. Weil das aber ein Geschäft mit Potenzial ist, verscherbeln sich die Zeitungen lieber gleich selbst an den Höchstbietenden. Mal diskret, mal schamlos offen.

WENN DIE WAHRHEIT ZUM BEDAUERNSWERTEN EINZELFALL WIRD

Überhaupt: Lange vor den Inhalten stehen die bezahlten Anzeigen fest. Erst dann wird der Journalismus passend um die Anzeigen gestrickt. Es ist also nicht nur ein Gefühl der Leser, dass der Journalismus gekauft wird. Wurde er schon immer. In so einem System ist die aufrichtige Wahrheit nicht der wünschenswerte Normalzustand, sondern nur der bedauerliche Einzelfall. Weil sogar verheimlicht wird, an wen sich die Journalisten verkaufen (müssen).
All das schreibt PÖRKSEN in seinem Essay nicht. Dafür sucht er den Sündenbock bei den Verschwörungstheoretikern, bei PEGIDA, bei den Kritikern. Die haben den Journalismus aber nicht zu dem gemacht, was er ist.

MAINSTREAM-JOURNALISMUS IST REFORMUNFÄHIG

Deshalb hilft auch keine geheuchelte Ehrlichkeit oder das »Gespräch auf Augenhöhe« mit dem Publikum, Herr PÖRKSEN. Dieser Mainstream-Journalismus ist reformunfähig und trägt in sich so unendlich viele Probleme – sein Ende wäre kein Übel.
Die Demokratie braucht für öffentliche Diskussionen vielleicht Journalisten, vielleicht auch nicht. Ganz bestimmt schadet ihr aber der gegenwärtige Journalismus, der so seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Und er riecht auch nicht gut. Da ist dieser Gestank von Manipulation und niemand weiß, wer sich dort alles die Türklinke in die Hand gibt.

Deshalb, verehrter Herr PÖRKSEN, mit dem Internet basteln sich die »Verschwörungstheoretiker« nicht ihre »Parallelrealität«.
Es bietet der Menschheit erstmals die Chance auf echte Meinungsvielfalt – unabhängig von einer Presse, die dafür bezahlt wird, um zu beeinflussen. Die entscheidet, was diskutiert wird oder nicht, wie etwas zu sehen ist, was zu verachten ist. Es gibt kein Schwarz oder Weiß mehr. Es gibt alles für alle.

DAS ENDE DES INFORMATIONS-MITTELALTERS


Wenn Sie als Medientheoretiker MARSHALL MCLUHAN zitieren, dann bitte richtig. Er sah 1962 das Internet voraus, mit dem die Welt zu einem »GLOBAL VILLAGE« zusammenwächst. Es verdrängt die »GUTENBERG-GALAXIS«, also das Buchzeitalter. Wo nur eine Elite veröffentlichte und damit bestimmte, was alle lesen. Der Mainstream-Journalismus ist das Produkt dieser Epoche. Man wird sie einmal das Informations-Mittelalter der Menschheit nennen.


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