DIE ARROGANZ DER ENTWERTETEN
Peter Harth Via Kopp online
Der Mainstream-Journalismus steht kurz vor dem Infarkt. Schuld sind
Verschwörungstheoretiker und die PEGIDA – schreibt Medienwissenschaftler BERNHARD
PÖRKSEN. Sein SPIEGEL-ESSAY »Der Hass der Bescheidwisser« ist Unsinn. Nicht die
Kritiker demontieren den Journalismus. Das schafft er von ganz allein – durch
Arroganz und Intransparenz.
Die Wahrheit kommt erst zum Schluss. Dort hat sie BERNHARD PÖRKSEN gut
versteckt. Wollen Sie nur die Wahrheit? Lesen Sie seinen Essay (im Internet nur
als Anreißer) nicht von Anfang an, sondern beginnen sie ab der letzten
Leerzeile (im gedruckten Spiegel 2/2015 auf Seite 73). Dort steht, warum den
Medienkritikern das Kritisieren so leicht fällt. Wobei PÖRKSEN lieber von
»Verschwörungstheoretikern« spricht. Aber Bezeichnung hin oder her – nicht sie
demontieren den Journalismus, das schafft der von ganz allein.
Der Journalismus leidet unter einer »selbstherrlich gelebten Arroganz«,
gibt PÖRKSEN zu. Er schließt seine Leser und deren Realität aus (»Exklusion«).
Er lebt unter einer Glaskuppel, die ihn weltfremd macht. Und er errichtet
»Scheiterhaufen«. Scheiterhaufen? Nun, die brennen, wenn die Mainstream-Medien
ein Opfer wie aktuell die PEGIDA-Bewegung gefunden haben.
Background Information:
GERMANY: LAME JOURNALISM, OR DELIBERATE DISINFORMATION ON SYRIA?
DER-SPIEGEL "Der-Hass-der-Bescheidwisser"
PEGIDA AUF DEM MEDIALEN
»SCHEITERHAUFEN«
Warum? Weil die Demonstranten auf der Straße sagen, dass sie den Medien
nichts mehr glauben. So etwas geht nicht, also werden sie verbal niedergemacht.
Das hat bisher geklappt, weil Medien die exklusiven Meinungsmacher waren. Sie
und nur sie. Und das war ein gutes Geschäft, weil die Politik wie auch die
Wirtschaft die veröffentlichte Meinung braucht. Jedenfalls die in ihren Augen
richtige. Dafür zahlen sie.
Nun ist das Internet aber selbst für die Bundeskanzlerin kein Neuland mehr.
Also muss auch ein Medienwissenschaftler wie PÖRKSEN zugeben, dass da
mittlerweile so etwas wie eine »Medienrevolution« im Gange ist. Die man nicht
mehr »ignorieren« kann, weil die »Stimmung aus Verschwörungsgerede,
Medienverdrossenheit und berechtigter Medienkritik« […] »längst zu massiv« ist.
Das, Herr PÖRKSEN, ist eine gewaltige Untertreibung.
SO VIELE FEHLER WIE SEIT DEM ENDE
DES KALTEN KRIEGES NICHT MEHR
Der Journalismus hat seine Macht verloren. Nicht nur, weil inzwischen jeder
auch ohne die Medien Meinungen machen kann. Es ist jetzt fast zu leicht, die
Fehler und Unwahrheiten der Journalisten aufzudecken. Und davon gibt es seit
der UKRAINE-Krise so viele wie seit dem Ende des Kalten Krieges 1989 nicht
mehr. Das ist eine Tatsache. Jeder Fehler kostet die Mainstream-Medien ein
Stück ihrer Glaubwürdigkeit.
Das ist keine Medienrevolution, es ist eine Erosion, ein Zerbröckeln. Mit
den einfachsten Mitteln, ohne viel Aufwand. Die Fehler sind da, sie müssen nur
offen gezeigt werden im Internet: Seien es Propaganda, verlorene
Glaubwürdigkeit, Zensur, Manipulation, Arroganz, Unaufrichtigkeit.
DIE MACHT DES JOURNALISMUS
ZERBRÖCKELT
Je mehr sich die Fehler häufen, desto drängender wird eine Frage: Warum
sind es gerade jetzt so viele? Die
Menschen werden misstrauisch und viele haben schon lange das Gefühl, dass die
Medien nicht im Sinne ihres Publikums berichten; eher scheint die
Berichterstattung interessengesteuert. Von wem oder für welche Sache und
was war der Preis? Das ist aber nicht das Schockierende. Was die Menschen wie
mit einem Vorschlaghammer trifft, ist das: »Die wollen mich manipulieren«
Vielleicht wird das Internet einmal dafür gefeiert, dass sich der Mensch
damit aus seiner geistigen Bevormundung befreit hat. Es gibt aber ein ganz
aktuelles Problem, zumindest aus Sicht der Medien, was auch PÖRKSEN zugibt. Er
spricht vom »Kommunikationsinfarkt«, die unsere offene Gesellschaft insgesamt
gefährden soll. Wenn den Medien keiner mehr glaubt, dann soll auch die
Diskussionskultur sterben?
DIE ÖFFENTLICHKEIT KANN OHNE
JOURNALISMUS. UMGEKEHRT IST DAS NICHT DER FALL.
Das ist einmal mehr Unsinn. Die Medien sind nicht länger notwendig für die
öffentliche Diskussion in einer Gesellschaft. Es ist wahrscheinlicher, dass sie
sie durch Manipulation beschädigen. Auch ohne SPIEGEL, ZEIT oder STERN gibt es
eine Öffentlichkeit in DEUTSCHLAND, die über Werte, Konsens und Konflikte
verhandelt. Der Mainstream-Journalismus kann aber nicht ohne Öffentlichkeit.
Der Infarkt, mit dem PÖRKSEN Panik verbreitet, ist der Infarkt des
Journalismus.
Weil es noch nie so einfach war,
Journalisten zu kontrollieren, müssten sie eigentlich so transparent wie noch
nie werden. Alles andere beschädigt DEUTSCHLANDS Mainstream-Medien nur noch
mehr. Das verträgt sich aber nicht mit der Realität des Medienbetriebs. Eine
Branche, die sich sehr für andere interessiert, müsste selbst die Hosen
runterlassen. Und was man dort sieht, ist sehr erklärungsbedürftig.
JOURNALISTEN SUCHEN DIE NÄHE ZUR
POLITIK UND DIE POLITIK SUCHT DIE NÄHE ZUM JOURNALISMUS
Warum sitzen Politiker in den
Aufsichtsräten der Fernsehsender? Weshalb bauen Journalisten Netzwerke mit
Lobbyisten auf? Warum macht überhaupt nur ein ganz bestimmter Typ Journalist
Karriere? Kaum eine andere Branche hat sich so gut abgeschottet. Wichtige
Stellen werden nicht öffentlich ausgeschrieben, es wird aus dem immer gleichen
Kreis der bekannten Gesichter rekrutiert.
Dieses inzestuöse System existiert deshalb, weil durch die Einflussnahme
von außen in den Redaktionen ein ständiger Machtkampf tobt. Journalisten suchen
die Nähe zur Politik und die Politik sucht die Nähe zum Journalismus. Deshalb
ist die politische Gesinnung für Journalisten inoffiziell lebenswichtig. Nur
mit der richtigen haben sie die nötigen Kontakte, um an die wirklich wichtigen
Stellen zu kommen. Dazu nehmen Wirtschaft, Lobbyisten, ja sogar ganze Staaten Einfluss
auf die Redaktionen. So können sie ihre Meinung geschickt platzieren. Außerdem:
Ein ihnen genehmer Chefredakteur wird Journalisten fördern, die ähnlich denken.
INZEST, AUSBEUTUNG UND
MORALISCHER BANKROTT
Am unteren Ende der journalistischen Karriereleiter stehen die »Freien«,
eigentlich Unfreie. Sie sind da und gleichzeitig nicht da, ohne Anstellung,
Kündigungsschutz und soziale Absicherung. Trotzdem schreiben Sie den
Löwenanteil der journalistischen Beiträge für ein Hungergeld. Ständig haben sie
Angst, müssen funktionieren. Wenn nicht, werden sie von einem Tag auf den
anderen ausgetauscht.
Damit die Rendite stimmt, kämpfen alle Journalisten gegen den Zeit- und
Leistungsdruck. Der Gewinn auf der einen Seite muss aber mit dem Verlust auf
einer anderen Seite bezahlt werden. Die Leidtragenden sind die »Freien«, die
alles machen, um bloß nicht aus dem journalistischen System zu fliegen. Allein
die nackte Existenzangst macht diese Journalisten korrupt.
Sie können nicht vom Schreiben leben. Also schlagen sie sich mit
Gelegenheitsarbeiten durch, um überhaupt schreiben zu können. Wenn das nicht
mehr geht, lassen sie sich von Lobbyisten, Parteien oder Unternehmen kaufen.
Einmal bezahlt, versuchen diese Journalisten, ihre Auftraggeber wohlwollend in
den Medien zu bringen. Weil das aber ein Geschäft mit Potenzial ist,
verscherbeln sich die Zeitungen lieber gleich selbst an den Höchstbietenden.
Mal diskret, mal schamlos offen.
WENN DIE WAHRHEIT ZUM BEDAUERNSWERTEN
EINZELFALL WIRD
Überhaupt: Lange vor den Inhalten stehen die bezahlten Anzeigen fest. Erst
dann wird der Journalismus passend um die Anzeigen gestrickt. Es ist also nicht
nur ein Gefühl der Leser, dass der Journalismus gekauft wird. Wurde er schon
immer. In so einem System ist die aufrichtige Wahrheit nicht der wünschenswerte
Normalzustand, sondern nur der bedauerliche Einzelfall. Weil sogar verheimlicht
wird, an wen sich die Journalisten verkaufen (müssen).
All das schreibt PÖRKSEN in seinem Essay nicht. Dafür sucht er den
Sündenbock bei den Verschwörungstheoretikern, bei PEGIDA, bei den Kritikern.
Die haben den Journalismus aber nicht zu dem gemacht, was er ist.
MAINSTREAM-JOURNALISMUS IST REFORMUNFÄHIG
Deshalb hilft auch keine geheuchelte Ehrlichkeit oder das »Gespräch auf
Augenhöhe« mit dem Publikum, Herr PÖRKSEN. Dieser Mainstream-Journalismus ist
reformunfähig und trägt in sich so unendlich viele Probleme – sein Ende wäre
kein Übel.
Die Demokratie braucht für öffentliche Diskussionen vielleicht
Journalisten, vielleicht auch nicht. Ganz bestimmt schadet ihr aber der
gegenwärtige Journalismus, der so seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Und er
riecht auch nicht gut. Da ist dieser Gestank von Manipulation und niemand weiß,
wer sich dort alles die Türklinke in die Hand gibt.
Deshalb, verehrter Herr PÖRKSEN, mit dem Internet basteln sich die
»Verschwörungstheoretiker« nicht ihre »Parallelrealität«.
Es bietet der Menschheit erstmals die Chance auf echte Meinungsvielfalt –
unabhängig von einer Presse, die dafür bezahlt wird, um zu beeinflussen. Die
entscheidet, was diskutiert wird oder nicht, wie etwas zu sehen ist, was zu
verachten ist. Es gibt kein Schwarz oder Weiß mehr. Es gibt alles für alle.
DAS ENDE DES
INFORMATIONS-MITTELALTERS
Wenn Sie als Medientheoretiker MARSHALL MCLUHAN zitieren, dann bitte
richtig. Er sah 1962 das Internet voraus, mit dem die Welt zu einem »GLOBAL
VILLAGE« zusammenwächst. Es verdrängt die »GUTENBERG-GALAXIS«, also das
Buchzeitalter. Wo nur eine Elite veröffentlichte
und damit bestimmte, was alle lesen. Der Mainstream-Journalismus ist das
Produkt dieser Epoche. Man wird sie einmal das Informations-Mittelalter der
Menschheit nennen.
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