Sunday, 8 January 2012

London vertritt in der EU die USA



Was die Briten politisch am meisten nervt, ist eine deutsch-französische Vorherrschaft in Europa

Was die Briten politisch am meisten nervt, ist eine deutsch-französische Vorherrschaft in Europa. Das war in der Ära Kohl-Mitterand so und jetzt wieder. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben sich zusammengerauft und regieren die EU. David Cameron wird selten eingebunden. Das allein schon wird in London als Skandal empfunden. 

Der britische Premier stand beim Gipfel in Brüssel aber auch unter enormen innenpolitischen Zwängen. Er konnte den deutsch-französischen Vorschlägen einer Änderung des EU-Vertrags ("Fiskalunion") nicht zustimmen, weil er sie dem Unterhaus und dem britischen Volk vorlegen müsste. Beide Abstimmungen würde er verlieren. 

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wiederum konnten keine Ausnahmeregelungen für den "Finanzplatz London" gestatten, weil sie sich damit aller Chancen begeben hätten, die internationale Finanzwirtschaft unter Kontrolle zu bringen. Der britische Premier sagte es ganz deutlich: "Die EU ist für uns im Kern der gemeinsame Markt". Das ist ein Nein zu einer politischen Union. 

Dieser Gipfel markiert weder das Ende des Euro noch das Ende der EU. Das Datum signalisiert das vorläufige Ende eines Einigungsprozesses, der die EU-Kommission mit einem vom Parlament gewählten Präsidenten in eine europäische Regierung verwandeln sollte. 

Das ist jetzt Wunschdenken politischer Romantiker.
Die Wirklichkeit wird freilich nicht nur durch die ökonomische Dramatik bestimmt. 

Auch Camerons Labour-Vorgänger Tony Blair hätte sich in Brüssel "denen da drüben auf dem Kontinent" nicht unterworfen. Weniger aus Rücksicht auf die Londoner City. Stärker wegen der atlantischen Loyalität zu Washington. Die leidet momentan, weil Barack Obama und Cameron keine Brüder im Geiste sind. Die Wahl eines Republikaners ins Weiße Haus im November 2012 würde das Bush/Blair-Klima wiederherstellen. 

Großbritannien spielt in allen wichtigen EU-Gremien tragende Rollen. So jemanden kann man weder "hinausschmeißen" (Schlagzeile des Billigblattes Österreich), noch verabschiedet sich eine Mittelmacht aus ihrem "Absatzmarkt" (O-Ton Cameron) wegen "Merkozy". 

Die größere Gefahr ist die einer Implosion. Großbritannien hat sich nicht isoliert. Die Regierung in London hat sogar ein paar Trümpfe in der Hand. Der Erhalt des Euro ist ihr kein Anliegen, Medien wie der "Economist" und die "Financial Times", beide stark gelesen auch in Kontinentaleuropa, schreiben ihn seit Jahren herunter.  

Wenn die Briten die politische Kraft der EU (Voraussetzung für einen starken Euro) noch massiver unterminieren, wird Brüssel langsam aber sicher eine lahme Ente.
Im Wirtschafts- und Finanzkrieg zwischen den USA und Europa spielt das eine wichtige Rolle. Um ein antikes Bild zu bemühen: So wie es aussieht, ist Großbritannien das trojanische Pferd der angelsächsischen Finanzinteressen mitten im EU-Europa. 

Paris kaschiert seine Schwächen durch die Allianz mit Berlin. Ob Deutschland stark genug ist, den Briten Paroli zu bieten, muss man bezweifeln.

Via der Standard.at

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