Banken-Bailout statt Griechenland-Hilfe: Wohin die
Gelder wirklich fließen
Von Jan PEHRKE
Viele der
nach Griechenland geschickten Kreditpakete erhalten in Athen lediglich einen
anderen Adress-Aufkleber und gehen zur Schuldentilgung unverzüglich weiter an
Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften. Nach unterschiedlichen
Berechnungen kann das Land von den gewährten Krediten lediglich 20 bis 40
Prozent für seinen Haushalt nutzen.
Im November
erhielt Griechenland die sechste Tranche des Rettungspaketes. 5,8 Milliarden
Euro brachten die Staaten der Euro-Zone auf; 2,2 Milliarden steuerte der
Internationale Währungsfonds bei. Allerdings machte sich ein Großteil des
Geldes schon bald wieder auf die Reise. "Vier Fünftel der Tranche werden
für Zins und Tilgungszahlungen verwendet, mehr als die Hälfte fließt zurück ins
Ausland. Die von den Steuerzahlern der Geberländer finanzierte Tranche geht
also wesentlich an die Finanzhäuser der Geberländer zurück", konstatierte
der Ökonom Jens Bastian laut FAZ auf einer Tagung der
Südosteuropa-Gesellschaft.
Zulauf für
Agitatoren Bastian, der
der Task-Force der EU für Griechenland angehört und in Athen für die politische
Stiftung ELIAMEP arbeitet, findet das auch gar nicht anstößig, aber um die
Außenwirkung sorgt er sich doch ein bisschen. "Daran ist nichts
auszusetzen, nur verschafft diese Rechnung Agitatoren Zulauf", gibt die
FAZ seine Worte wieder.
Die Expertise, auf die er sich beruft, stammt vom
US-amerikanischen Hedge-Fonds "TF Market Advisors". Nach einer Analyse von dessen
Gründer Peter Tchir gehen von den acht Milliarden Euro der letzten Tranche 40
Prozent an ausländische Finanzhäuser, 18 Prozent erhält die Europäische
Zentralbank (EZB), 23 Prozent bekommen griechische Banken und Pensionsfonds,
wobei sie einen Teil des Geldes auch gleich wieder an die EZB abführen müssen,
und lediglich 19 Prozent des Betrages fließen in den Staatshaushalt.
Nach Tchirs
Ansicht helfen die Kredite daher nur einer Gruppe: den Geldhäusern. Er plaediert aus diesem
Grund dafür, einen Schnitt zu machen und Griechenland Pleite gehen zu lassen,
um dann mit dem Neuaufbau zu beginnen. Den Verdacht, eine Banken-Kritik aus dem
Munde eines Hedge-Fonds-Managers könnte vielleicht interessengeleitet sein,
weist Peter Tchir vehement zurück. Hedge-Fonds hätten nicht - oder nicht mehr -
via Kreditausfallversicherungen, so genannten Credit Default Swaps (CDS), auf
einen Bankrott gewettet, beteuert er. Das mag stimmen, trotzdem leidet seine
Branche massiv unter der bisherigen Politik.
Nach
bisherigen Informationen wird nämlich die International Swaps and Derivatives
Association (ISDA), der unter anderem die Deutsche Bank, Goldman Sachs und der
Finanzinvestor Blackrock angehören, den auf dem EU-Gipfel im Oktober
beschlossenen Verzicht privater Gläubiger auf 100 Milliarden Euro nicht als
Konkurs bzw. "Kreditereignis" werten.
Deshalb werden die CDS nicht
zum Tragen kommen und somit zu Tchirs Bedauern als Chips an den Spieltischen
der internationalen Finanz-Casinos ziemlich an Bedeutung verlieren. Dabei haben
die ISDA-Mitglieder natürlich auch an sich gedacht: Allein die deutschen Banken
haben ihren Kunden für über acht Milliarden Euro Kreditausfallversicherungen
für Staatsanleihen verkauft.
37
Milliarden für die Schuldentilgung
Die Zahlen
von "TF Market Advisors" geben also zu einigen Zweifeln Anlass. Warum
Jens Bastian ihnen trotzdem mehr vertraut als den EU-eigenen, erschließt sich
nicht so ganz. Aber vielleicht bevorzugt er kurze Texte und scheute sich davor,
den im Oktober erschienenen 190-seitigen Bericht der Troika durchzuarbeiten. Dieser Report verfolgt in einem
kurzen Abschnitt ebenfalls den Weg des Geldes und kommt zu einem ähnlichen
Befund wie der Hedge-Fonds. Die November-Tranche noch nicht eingerechnet gingen
laut Troika von den bis dahin erfolgten Zahlungen in Höhe von 65 Milliarden
Euro 37,1 Milliarden direkt in die Schuldentilgung. Und auch der Rest floss
nicht ausschließlich in den Etat, sondern diente unter anderem dem hellenischen
Bankenstützungsfonds HFSF zum Kapitalaufbau.
Im Grunde
ist auch allen Beteiligten klar, wohin das Geld wirklich strömt. Auf die Frage
eines Deutschlandfunk-Journalisten: "Also wir retten die Banken und nicht
Griechenland?" antworten Markus
Kerber vom "Bundesverband der Deutschen Industrie" ganz offen:
"Wir müssen für ein stabiles und immer für die Wirtschaft und auch für den
kleinen Sparer verfügbares Banken- und Zahlungssystem im europäischen
Währungsgebiet sorgen. Die Ordnungspolitiker unter uns wissen, Banken haben
eine ganz spezielle Funktion im Wirtschaftskreislauf", so der
BDI-Hauptgeschäftsführer, der selbst einmal in Diensten der Deutschen Bank
stand.
Private Gläubiger zieren sich
Und da diese
"ganz spezielle Funktion im Wirtschaftskreislauf" seit einiger Zeit
so einigen Störungen unterliegt, dürfte auch das Schicksal der kommenden
Milliarden-Überweisungen besiegelt sein. Die zur Zeit diskutierte Aufstockung
der Mittel des IWF dient der FAZ
zufolge nämlich vorrangig dazu, "die heiklen Monate überstehen zu können,
in denen die Krisenländer Anleihen in dreistelliger Milliardenhöhe tilgen
müssen".
Griechenland
hat allein in diesem Monat 6,7 Milliarden Euro für den Schuldendienst aufzubringen . Und die
Verhandlungen mit den privaten Gläubigern über den 50-prozentigen
Forderungsverzicht verlaufen schwierig. Bislang weigern sie sich noch, ihre
Anleihen in solche geringeren Wertes umzutauschen. "Sie machen es nicht
einfach, um das Mindeste zu sagen. Es wird Zeit brauchen", sagteein
EU-Offizieller am Rande der Verhandlungen.
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