Wieder mal ist Krieg im Nahen Osten.
via The European 
von Alexander Wallasch
Wieder mal können wir nicht 
glauben, was wir sehen. Weil wir wissen, dass der Augenschein nicht die 
Wahrheit sein muss – und unsere Medien versagen. 
Wer erinnert sich nicht? 2003 hatte Colin Powell in seinem 
liederlichen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat, einem der höchsten 
weltlichen Gremien, erklärt: ja, im Irak gibt es 
Massenvernichtungswaffen. Und damit einen Krieg und eine Kettenreaktion 
ausgelöst, die bis heute anhält. Die aktuell in Syrien angekommen ist. 
Und die aller Wahrscheinlichkeit nach Damaskus in eine dieser Höllen aus
 Blut, Bomben und Elend verwandeln wird.
Längst weiß jeder: rückwirkend hat sich diese Powell’sche Wahrheit 
als „Verschwörungstheorie“ herausgestellt. Genauer als Verschwörung, 
denn was sich als Lüge herausgestellt hat, das kann ja keine Theorie 
mehr sein. Nur was ist nach Powell noch ein Beweis und was nicht? Ein 
großes Dilemma. Und es wurde zur mächtigen Zäsur. Powells Lüge ist zum 
Sündenfall geworden. Zur Werte-Kernschmelze.
Jahre später sprach Powell in der „FAZ“ christlich-demütig, oder 
heuchlerisch – wie man mag – vom Schandfleck seiner Karriere. Und dass 
er „enorm enttäuscht“ wurde. Das ist seltsam. Denn „getäuscht“ wäre das 
treffendere Wort gewesen, wenn er, wie er sagt, nicht im Bilde war. Aber
 dann hätte er noch dringender benennen müssen, was seine persönliche 
Schuld war.
Die „Bush-Administration“ (längst Synonym für etwas sehr, sehr 
Schmutziges) hat der Weltgemeinschaft – die zu retten sie offiziell mit 
dieser „Neuen Weltordnung“ angetreten war – einen Bärendienst erwiesen. 
Denn wenn die Wahrheit keine mehr ist, ist auch ihr Gegenpart, die 
Verschwörungstheorie, als solche wieder ergebnisoffen. Die positive 
Seite: Nicht jede geäußerte Wahrheit kann jetzt noch zur 
Verschwörungstheorie runtervergewaltigt werden. Klar, der Vorwurf 
„Verschwörungstheoretiker“ greift zwar noch, aber seine inflationäre 
Nutzung weist darauf hin, dass er als perfekte 
Massenmeinungsvernichtungswaffe zum Auslaufmodell geworden ist.
Wenn wir über Syrien nachdenken, ist das die Vorgeschichte
Gewissermaßen der unheilvolle Nährboden oder unangenehm 
amerikanischer ausgedrückt: die Saat des Bösen. W. Bushs „Neue 
Weltordnung“ hat tatsächlich eine noch viel schlimmere Verwüstung 
angerichtet als nur die Kriegshandlungen zur Diktatorenbeseitigung. Mit 
der Unauffindbarkeit von Massenvernichtungswaffen im Irak ist ein großer
 breiter Damm aus Diplomatie und diplomatischer Lüge einfach 
weggebrochen. Dass Assange mit allen Mitteln gestoppt werden musste, ist
 völlig klar. Er war der Brandbeschleuniger mit dem Wahrheitskerosin.
In Kombination mit einem rapide verödenden Schwarmgedächtnis sind 
internationale Umgangsformen, sind lange Zeit als unverrückbar geltende 
Werte verloren gegangen. Werte, die vor dem Zusammenbruch der 
Ost-West-Blöcke zumindest für den kapitalistischen Westen, für den NATO-Einflussbereich
 in Stein gemeißelt schienen wie die zehn Gebote. Klar, diese weltlichen
 Gesetzestafeln existieren immer noch. Aber sie werden heute von ihren 
ehemaligen Gralshütern schlechter behandelt als die verwitterten 
Preisanschläge der Hurenhäuser in Pompeji.
Irak, Afghanistan, Ägypten, Tunesien, Libyen, nun Syrien. Genug ist 
genug. Ja, die 1950er- bis 1980er-Jahre mit ihrem US- und 
Sowjet-Imperialismus in Lateinamerika, auf Kuba, in Indochina, in Afrika
 usw. – im Westen alles gedeckelt unter der größten aller Ängste: der 
roten Gefahr. Aber auch die damals unumstößlichen Wahrheiten platzen nun
 unter der blutroten Sonne Syriens. Alles drängt wieder hoch. So war es 
während der Libyen-Eroberung und so ist es erneut. Inflation auf dem 
Weltwahrheitsmarkt und ihren Mediensprachrohren.
Versagen der Nachrichter im Syrien-Konflikt
So werden „Tagesschau“ und „heute“ zu blöd-dreisten 
Verdummungsveranstaltungen. Hat man sich längst arrangiert mit der 
Groteske? Also reden wir vom Versagen der Nachrichter im 
Syrien-Konflikt. Wie selbstverständlich suchen wir heute die 
tatsächliche hinter der eigentlichen Nachricht. Ein Automatismus. Ein 
verdammtes scheiß Suchspiel! Sekundiert und manchmal noch persifliert in
 Talk-Shows, wo dann doch mal einem der eingeladenen Komparsen der 
Kragen platzt, bevor er von der Moderation runtergebügelt werden kann. 
Noch knapp im Vorteil sind da greise Weise wie Scholl-Latour oder 
Unantastbare aus anderen Kulturkreisen. Also solche, die ein Stück weit 
nach eigenen Regeln spielen bzw. die Regeln nicht beherrschen oder 
akzeptieren.
Und dann sind da die Auslands-Korrespondenten. Niemandem scheint 
bisher aufgefallen zu sein, dass die „Live-Schalte“ – als ehemals fester
 Bestandteil deutscher Nachrichtensendungen – quasi zum Erliegen 
gekommen ist. Einer wie dieser Jörg Armbruster wird vorher 
aufgezeichnet. Bequemlichkeit? Denkfaulheit? Egal – jedenfalls wird so 
aus einer unbequemen Momentaufnahme direkt und live vom Ort des 
Geschehens ein aufgezeichnetes und von einem Telefongespräch untermaltes
 YouTube-Filmchen in erbärmlicher Qualität und erbärmlicher Beweiskraft.
 Oder ein Porträtfoto-Interview mit den nächtlichen Autolichtern einer 
Kreuzung mit beleuchtetem Minarett im Hintergrund. Das kennt jeder.
Ein angeschwitzter Armbruster mit zerzaustem Haar schaut gekonnt 
übermüdet und emotional angeschlagen in die Kamera, als käme er direkt 
aus dem Schützengraben: Wieder 30 Tote in Syrien. Nach Meldung der 
Rebellen. Und Assad hat Kinder als menschliche Schutzschilde auf Panzer 
der Regierungstruppen setzen lassen, um „angreifende Soldaten“ – dann 
verbessert Armbruster sich und sagt „Freischärler“ – der „Freien 
Syrischen Armee“ daran zu hindern, diese Panzer zu beschießen. Und so 
weiter. Ich warte auf den Moment, wenn der Teleprompter bereits 
abgelesen ist. Wenn doch noch ein Stück Redlichkeit, ein bisschen 
Scholl-Latour aus dem armen Armbruster hochschießt. Dieser Moment 
Wahrheit, der es am Schnittraum vorbei geschafft hat. Ein Satz, der 
relativiert, also aus einer dieser im vorauseilenden Gehorsam 
gestreamten Konsensmeldung, aus der Verlautbarung eine echte Nachricht 
macht. Armbruster im Nachfassen: Auch die „Freie Syrische Armee“ 
missbraucht laut UN-Bericht Kinder zu militärischen Zwecken. Wumms.
Oder doch nicht wumms? Wer kennt die Wahrheit? Vielleicht niemand 
mehr in ihrer Gesamtkomplexität. Oder kann es sein, dass die heutigen 
Medien und die extreme Diversifikation von Informationen – und das quasi
 in Echtzeit – das Individuum vielmehr in die Lage versetzen, ein 
eigenes Bild zu formen? Und entsteht dadurch lediglich der Eindruck, 
alles sei schlimmer geworden? Stimmt am Ende die These, dass es immer 
schon so schlimm war, dass es sich früher nur nicht so einfach 
dechiffrieren ließ? War die Manipulation aufgrund ihrer 
Einkanalkommunikation „nur durch die ,Tagesschau‘“ einfach nur einfacher
 und somit perfekter?
Die trübe Brühe der Gesinnungspolitik
Was nun? Einfach zu kompliziert ist es da, wo man Klarheit wünscht. 
Weil man behandelt werden möchte, als litte man an Gedächtnisverlust. An
 Amnesie. Verständnislosigkeit ist die neueste Form schweinischer 
Hypochondrie. Schweinisch, weil sie Menschenleben kostet. Weil es nicht 
viel Mühe macht, zu erinnern, oder mindestens zu recherchieren, dass die
 US-Regierung und ihre Dienste schon vor Jahren angefangen haben, eine 
syrische Opposition mit Millionen Dollar aufzubauen. Weil man weiß, dass
 unter Billigung und Anweisung der US-amerikanische Regierung unter dem 
schmutzigen Banner der „Demokratie“ seit 9/11 ganz offensichtlich ein 
Kreuzzug geführt wird. Ja, aber gegen wen eigentlich? Die Interessenlage
 ist so vielfältig, dass auch das dem Fokus einer allgemeingültigen 
Wahrheit entrückt ist. Lässt es sich besser auf, wenn man sich nach den 
unterschiedlichen Interessenlagen im Vorfeld erkundigt? Öl, strategische
 oder/und religiöse Positionen. Da werden Koalitionen geschmiedet und 
gewechselt wie die Weiber beim Gangbang im Provinzpuff. Russland, 
Brasilien, China. USA, Katar, Saudi-Arabien. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Die trübe Brühe der Gesinnungspolitik.
Die kleine schmutzige Hure Demokratie, von der schon Plato sagte: 
„Wer in der Demokratie die Wahrheit sagt, wird von der Masse getötet.“
Die ehemaligen Vasallen rund um die Ölfelder und im Dunstkreis 
Israels werden nun also Schlag auf Schlag enthauptet und die Region 
komplett destabilisiert. Diese Destabilisierung ist nicht der notwendige
 Übergang, sondern das eigentliche Ziel der wie nebenbei dann 
Menschenmassen vernichtenden konstatierten Aktionen. Wann sind syrische 
Bürger Rebellen und wann werden Wohnhäuser bombardiert und wann sind es 
bereits hochgerüstete Rebellenhochburgen? Wann versucht eine wie auch 
immer geartete Assad-Regierung, den relativen Frieden im Land gegen 
Aufständische zu verteidigen und wann werden aus Aufständischen legitime
 neue Ansprechpartner?
Ein gigantisch obszönes Geschäft
Fakt ist bisher, dass in diesen Krisenregionen auch später kein 
Nährboden für europäische Demokratie vorhanden zu sein scheint. Das kann
 religiöse Ursachen, aber auch mit Stammesverhältnissen und ihren 
traditionellen bis ins Religiöse hineinreichenden Machtansprüchen zu tun
 haben.
Das wussten die Rebellenunterstützer. Und man wusste es schon, als 
das State Department bereits ab 2006 „mindestens sechs Millionen Dollar 
an syrische Oppositionsgruppen“ zahlte, wie die „Washington Post“ 
berichtete. Nach dem Zeitungsbericht soll das sogar Teil einer lang 
angelegten Kampagne sein, um Assad zu stürzen. Was berechtigt nun also 
das Massensterben, wenn der Wunsch nach Demokratie nicht die erste 
Triebfeder gewesen sein kann? Denn die rasch fallenden Diktaturen in 
Nordafrika scheinen ja bereits zu beweisen, dass nicht die Demokratie, 
sondern Destabilisierung erste Option ist.
Zwischen den Teleprompternachrichten schimmert es brutal durch: Es 
geht um die Chance der Neuverteilung von Macht und Einfluss. Früher 
ebneten Geheimdienste erst den GI’s, dann den Profiteuren den Weg. Man 
nannte das Imperialismus. Heute spart man sich immer öfter dieses 
komplizierte, kostenintensive Prozedere. Solange die einheimischen neuen
 Hoffnungsträger noch voller Hoffnung auf Partizipation an der 
Umverteilung sind, ist das auch nicht nötig. Ein gigantisches gigantisch
 obszönes Geschäft. 
      
        

 
Großartiger Artikel. Schön runtergearbeitet ohne etwas auszulassen.
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