PRÄSIDENT MACRI
GUTER DINGE
Regierung stellt Programm zur Steigerung
der Produktion vor. Zahlen eher ernüchternd, Inflation hoch. Regierung und
Provinzen verschuldet
Von Richard Tillmann
ARGENTINIEN befindet sich wirtschaftlich
weiterhin auf Talfahrt. Nun hat die Regierung um Präsident Mauricio Macri einen
neuen Wirtschaftsplan angekündigt. Dieser "Nationale Produktionsplan"
(Plan Productivo Nacional, PPN) soll dabei helfen, verschiedene Branchen
umzustrukturieren und effizienter zu machen.
Der PPN soll argentinische Unternehmen
zugleich konkurrenzfähiger machen und besser in den Weltmarkt integrieren.
Gleichzeitig sollen die Preise spezifischer Produkte gesenkt und mehr
qualifizierte Arbeitskräfte ausgebildet werden. Die vorgesehenen Maßnahmen wie
etwa Kapitalkostensenkungen, Steuerreformen und Innovationsförderung betreffen
hauptsächlich die heimische Elektronik-, Textil- und Autoindustrie.
Bereits mit großer Spannung werden die
Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Insel-Provinz Feuerland erwartet.
Nirgendwo anders im Land sind die Produktionskosten so hoch und nirgendwo ist
ein derart großer Anteil der Bevölkerung (über 10.000 Menschen) in der
Elektronikindustrie tätig. Das ist auch ein Resultat der Regionalpolitik von
Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner.
VERLUST DER KAUFKRAFT VON FAST ZEHN PROZENT
Ein Aufschwung der argentinischen
Industrie würde sich mit größter Wahrscheinlichkeit positiv auf die seit
längerer Zeit andauernde Inflation auswirken. Nach wie vor steigen in ARGENTINIEN
die Preise und Lebenskosten monatlich um mehrere Prozentpunkte an. Vor diesem
Hintergrund überraschte Präsident Macri mit der Aussage, dass die Diskussionen
rund um das Thema Inflation in die Irre führten und er der Zukunft optimistisch
entgegensehe. Ein Blick auf aktuelle Zahlen und Fakten zeigen die
Realitätsferne dieser Aussage.
Die Inflation stieg in der ersten Hälfte
des Jahres 2016 um über 27 Prozent auf einen kumulierten Jahresvergleichswert
von rund 45 Prozent. Die steigenden Lebenshaltungskosten wirkten sich wiederum
auf den Gesamtkonsum aus. Dieser ging im Juni 2016 im Vergleich zum Vormonat um
6,4 Prozent zurück. Seit dem Amtsantritt Macris ist zudem ein Verlust der
Kaufkraft von fast zehn Prozent zu verzeichnen. Aufgrund von
Produktionsproblemen droht aktuell ein landesweiter Engpass an Lebensmitteln
des täglichen Gebrauchs.
Ein weiteres gravierendes
Wirtschaftsproblem sind die konstant wachsenden Schulden der Nation und der
Provinzen. In der vergangenen Woche traf sich Macri mit den 23 argentinischen
Gouverneuren in seinem Amtssitz Casa Rosada. Gemeinsam wurden Abmachungen
getroffen, um die Haushalte aller Provinzen bis 2019 auszugleichen. Deren
Gesamtschulden hatten sich Ende 2015 auf 95 Milliarden Peso (gut 5,7 Milliarden
Euro) belaufen. Allein die einwohnerstärkste Provinz Buenos Aires hat über 20
Milliarden Peso (gut 1,2 Milliarden Euro) Schulden.
Argentiniens Bundesregierung informierte
bereits Ende Juli, dass das primäre Staatshaushaltsdefizit - ohne Finanzertrag
- für den Monat Juni über 45 Milliarden Peso (gut 2,7 Milliarden Euro) beträgt.
Betrachtet auf die ganze erste Jahreshälfte von 2016 beläuft es sich sogar auf
über 133 Milliarden Peso (knapp acht Milliarden Euro). Wie die Tageszeitung
Clarín berichtet, handle es sich dabei um einen zu tiefen,
"beschönigten" Wert. Zudem weist sie darauf hin, dass der Staatskasse
einerseits Steuereinnahmen von Exportwaren wegen rückläufigen Verkaufszahlen
und Steuersenkungsreformen fehlen, anderseits Mehrwertsteuereinnahmen aufgrund
des sinkenden Konsums.
Während Ex-Finanzsekretär Guillermo
Nielsen eine düstere Zukunft prognostiziert, erhoffen sich andere neue Impulse
dank ausländischer Investitionen. Argentinien sei auf globalem Niveau wieder
glaubwürdig, schreibt die Tageszeitung La Nación und berichtet über
ausländische Investitionsversprechen von mehr als 170 Milliarden US-Dollar.
Während lateinamerikanische Länder wie Brasilien (70 Milliarden US-Dollar),
Mexiko (30-40 Milliarden US-Dollar) und Chile (20 Milliarden US-Dollar) in den
vergangenen Jahren hohe Investitionen anlockten, lag Argentinien mit jährlich
nur sieben bis elf Milliarden US-Dollar am Ende der Skala.
Dass jedoch im Ringen um ausländische
Investitionen die Inflation ein riesiges Handicap ist, dürfte selbst der
Regierung Macri klar sein. Carlos Balter, Präsident der Demokratischen Partei
Mendoza, sieht zudem die Regierung vor einem gewaltigen wirtschaftspolitischen
Dilemma zwischen den Haushaltsschulden und der wirtschaftlichen Öffnung des
Landes: Es sei schier unmöglich, angemessene Wirtschaftsreformen zu ergreifen,
die der eigenen Volkswirtschaft nützen und gleichzeitig den exportorientierten
Unternehmen nicht schaden.
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